Lessons Learned

Klassisch vs. Agil: Lessons Learned, Abschlussbericht und Retrospektiven

Stelle Dir folgendes Szenario vor: Ein Unternehmen führte ein neues CRM-System ein, doch das Projekt wurde nie offiziell abgeschlossen. Es fehlten eine klare Abnahme, Dokumentation und ein gemeinsames Lessons-Learned-Meeting. Der Projektmanager wechselte kurz vor Schluss, und das Team löste sich schnell auf, da jede:r neue Aufgaben bekam – es gab keinen formalen Abschluss.

Die Folgen waren gravierend: Fachabteilungen kämpften mit Problemen, Support-Anfragen blieben unbeantwortet, und das Misstrauen gegenüber dem Projektmanagement wuchs. Frustrierte Teams suchten Alternativen, wodurch eine Art Schattensystem entstand. Langfristig verursachte das Projekt so mehr Kosten als Nutzen. Erst ein Jahr später konnte das Chaos durch eine externe Beratung behoben werden. Die Lektion für das Unternehmen: Ein sauberer Projektabschluss ist essenziell – er schließt nicht nur die Baustelle des Projekts an sich, sondern sichert eben auch den nachhaltigen Erfolg.

In diesem Artikel wollen wir unterschiedliche Ansätze für den formellen Abschluss von Projekten betrachten – denn wie nicht nur die Eingangsgeschichte, sondern die Realität tatsächlich immer wieder zeigt: Solche Abschlüsse sind wichtig, und das ganz unabhängig von der verwendeten Methode im Projekt. Sie ermöglichen uns, Erfolge zu feiern, aus Fehlern zu lernen und wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Projekte zu sichern.

Klassischer Abschlussbericht

Ein wichtiges Werkzeug im klassischen Projektmanagement ist traditionell der Abschlussbericht am Ende des Projekts, in dem eine umfassende Bewertung der Zielerreichung, der Ergebnisse und der gemachten Erfahrungen dokumentiert wird. Dieser Bericht dient dazu, die Projekterfolge und -herausforderungen detailliert zu analysieren und als Grundlage für zukünftige Projekte zu nutzen. Der Abschlussbericht wird in der Regel an das Management des Projektteams und andere relevante Stakeholder weitergegeben, um die Projektleistung festzuhalten – und um wertvolle Lessons Learned zu dokumentieren, also alles, was im Laufe des Projekts dazugelernt wurde. Diese Lessons Learned helfen dabei, ähnliche Herausforderungen in zukünftigen Projekten besser zu meistern und das Wissen im Unternehmen zu teilen und zu erweitern. Natürlich spricht auch nichts dagegen, Lessons Learned bereits im Projektverlauf immer wieder zu sammeln und festzuhalen – 

Einige Merkmale des klassischen Abschlussberichts sind:

  • Umfassende Analyse: Eine detaillierte Bewertung der Projektziele, der erreichten Ergebnisse sowie der Herausforderungen und Risiken sollte sich im Bericht finden.
  • Formale Dokumentation: Der Abschlussbericht ist ein formales Dokument, das als Referenz für zukünftige Projekte dient und im Unternehmen archiviert wird.
  • Fokus auf Lessons Learned: Lessons Learned werden systematisch erfasst, um zukünftige Projekte erfolgreicher zu gestalten.

Beispiel: Abschlussbericht für ein Softwareprojekt

Angenommen, wir haben eine neue Funktion für eine Software entwickelt und das Projekt erfolgreich abgeschlossen. Der Abschlussbericht würde die folgenden Informationen enthalten:

  • Inhaltliche Zielerfüllung: Die neue Funktion wurde erfolgreich implementiert und erfüllt die definierten Anforderungen. Die Projektinhalte wurden somit wie vereinbart geliefert. Die Benutzerregistrierung und Profilverwaltung wurden implementiert, und die Funktion ist auf iOS und Android verfügbar wie gefordert und sinnvoll.
  • Ergebnisse: Die Arbeitszeit mit der neuen Funktion konnte gegenüber der alten Funktionsweise um XX Minuten im Schnitt verkürzt werden
  • Lessons Learned: Es wurde festgestellt, dass eine besonders frühe Einbindung der Benutzer in den Testprozess dazu beigetragen hat, die Benutzerfreundlichkeit zu verbessern. Künftige Projekte sollten diesen Ansatz beibehalten.

Vorteile des klassischen Abschlussberichts

  • Formale Dokumentation: Bietet eine formale und umfassende Dokumentation des Projekts, die für das Management und andere Stakeholder nützlich ist.
  • Wissenssicherung: Lessons Learned als Teil des Abschlussberichts ermöglichen eine langfristige Wissenssicherung und Verbesserung zukünftiger Projekte.
  • Reflexion und Bewertung: Der Abschlussbericht bietet die Möglichkeit, das Projekt systematisch zu reflektieren und Erfolge sowie Herausforderungen zu bewerten.

Herausforderungen des klassischen Abschlussberichts

  • Zeitaufwendig: Die Erstellung eines detaillierten Abschlussberichts kann viel Zeit in Anspruch nehmen, insbesondere bei großen und komplexen Projekten.
  • Vergangenheitsorientiert: Der Fokus liegt auf der Dokumentation vergangener Ereignisse, was in dynamischen Umgebungen schnell überholt sein kann.
  • Umsetzung der Lessons Learned: Es besteht das Risiko, dass Lessons Learned zwar dokumentiert, aber in zukünftigen Projekten nicht mehr beachtet werden.

Agile Ansätze: Retrospektiven

In agilen Projekten werden statt eines Lessons-Learned-Meetings zum Projektende regelmäßig Retrospektiven durchgeführt. Diese finden typischerweise am Ende jedes Sprints oder jeder Iteration während des Entwicklungsverlaufs statt und dienen der kontinuierlichen Verbesserung des Teams – sodass Gelerntes nicht nur zukünftigen Projektteams, sondern auch aktuell an den Themen Arbeitenden. Zusätzlich gibt es am Ende des Projekts eine abschließende Retrospektive, die eine zusammenfassende Bewertung des gesamten Projekts ermöglicht. 

In Retrospektiven reflektiert das Team gemeinsam über die seit der letzten Retro vergangene Zeit (Iteration), identifiziert Herausforderungen, diskutiert Verbesserungsmöglichkeiten und legt konkrete Maßnahmen fest, um die Zusammenarbeit und die Qualität der Arbeit zukünftig zu verbessern. Das Ziel ist es, kontinuierlich Anpassungen vorzunehmen und das Team in seiner Arbeitsweise effektiver zu machen.

Merkmale von Retrospektiven:

  • Regelmäßige Reflexion: Retrospektiven finden regelmäßig während des gesamten Projektverlaufs statt, nicht nur am Ende eines Projekts.
  • Fokus auf Teamverbesserung: Der Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung der Zusammenarbeit und der Prozesse innerhalb des Teams.
  • Praxisorientierte Maßnahmen: Es werden konkrete Maßnahmen beschlossen, die in der nächsten Iteration umgesetzt werden können.

Ein ausführlicher Artikel über Retrospektiven von mir findet sich hier.

Beispiel: Retrospektive für ein Softwareprojekt

Nehmen wir das gleiche Beispiel der Entwicklung einer neuen Softwarefunktion. Nach dem Abschluss eines Sprints führt das Team eine Retrospektive durch, um die vergangenen Wochen zu reflektieren:

  • Was lief gut?: Die enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Testern hat die Qualität der Implementierung verbessert.
  • Was lief weniger gut?: Die Kommunikation mit den externen Stakeholdern war teilweise unklar, was zu Missverständnissen führte.
  • Verbesserungen: In der nächsten Iteration soll eine wöchentliche Abstimmung mit den externen Stakeholdern eingeführt werden, um die Kommunikation zu verbessern.

Vorteile von Retrospektiven

  • Kontinuierliche Verbesserung: Durch regelmäßige Reflexion und Anpassung verbessert sich das Team stetig, was zu besseren Ergebnissen führt.
  • Flexibilität: Retrospektiven ermöglichen es, flexibel auf Herausforderungen und Veränderungen zu reagieren und Verbesserungen sofort umzusetzen.
  • Teamfokus: Die gemeinsame Reflexion stärkt den Teamzusammenhalt und fördert eine Kultur der offenen Kommunikation.

Herausforderungen von Retrospektiven

  • Disziplin erforderlich: Die Durchführung regelmäßiger Retrospektiven erfordert Disziplin und die Bereitschaft des Teams, offen über Probleme zu sprechen.
  • Zeitlicher Aufwand: Auch wenn Retrospektiven kürzer sind als ein umfassender Abschlussbericht, benötigen sie dennoch Zeit und Ressourcen.
  • Umsetzung der Maßnahmen: Es kann herausfordernd sein, die in Retrospektiven beschlossenen Maßnahmen konsequent umzusetzen, insbesondere wenn der Arbeitsdruck hoch ist.

Fazit: Wann sollte ich welche Methode wählen?

Die Entscheidung zwischen klassischeren Projektabschluss und regelmäßigen Retrospektiven hängt stark von der Projektumgebung ab. Klassische Abschlussberichte eignen sich besonders für Projekte, bei denen eine formale Dokumentation der Ergebnisse und eine umfassende Bewertung für das Management oder andere Stakeholder erforderlich sind. Retrospektiven sind ideal für agile Teams, die Wert auf kontinuierliche Verbesserung, Flexibilität und Teamtransparenz legen. In einigen Fällen kann es sinnvoll sein, beide Methoden zu kombinieren – etwa indem während des Projekts Retrospektiven durchgeführt werden und am Ende ein formaler Abschlussbericht erstellt wird, um sowohl eine kontinuierliche Verbesserung als auch eine abschließende Dokumentation sicherzustellen.

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